Feines Bild vom schweren Ballast

Der österreichische Künstler Hans Schabus stellt im Rahmen der Ausstellungsserie „Bildhauer als Zeichner“ im Kunstraum St. Virgil Salzburg Zeichnungen aus. Seine Ausstellung heißt „Ballast“. 2005 hat er den Österreichischen Pavillion auf der Biennale di Venezia gestaltet („The Last Land“ große Pyramide). In einem Gespräch mit dem Museumsdirektor des MdM, Thorsten Sadowsky, und dem Kurator von St. Virgil, Hubert Nitsch, spricht der Künstler über seine aktuelle Ausstellung. Zwölf Zeichnungen hängen hinter Glas an der Wand. Alle zeigen auf den ersten Blick amorphe Ovale, auf den zweiten Blick erkennt man Steine. Sie sind von I-XII nummeriert, im rechten, unteren Bildviertel finden wir Angaben über das Fundatum, Größe und Gewicht des jeweiligen Steins. Es handelt sich aber dabei nicht um gewöhnliche Steine: Diese Steine waren schon auf einer Weltreise und wurden vom Künstler Schabus in ihre ursprüngliche Heimat zurück geholt.

Hubert Nitsch, Hans Schabus und Thorsten Sadowsky im Gespräch

Es handelt sich bei den zwölf Steinen um sogenannte Ballaststeine. Heutzutage wird bei großen Containerschiffen mit Hilfe von Wasserballast die Verteilung des Gewichts angelichen und der Auftrieb geregelt. Zuvor war man auf die leicht tragbaren Ballaststeine angewiesen, die den Schwerpunkt des Schiffes nach unten drückten, wenn keine Ladung im Schiffsbauch gelagert war. Diese Ballaststeine machten also die Reise von Liverpool an die Elfenbeinküste und von dorthin nach Savannah, Georgia in den USA. Angekommen in Savannah wurden die Steine ausgeladen und die schweren Baumwollbündel eingeladen. Die Steine blieben zurück und dienten dann als Pflastersteine für Straßen. Schabus brachte nun zwölf der Ballaststeine zurück nach Liverpool. Die Zeichnungen entstanden am Rückweg.

Im Gegensatz zu den schweren Ballaststeinen, die als Ausgangsmaterial dienten, sind die Zeichnungen mit einem so feinen Bleistiftstrich gezeichnet, dass sie auf der weißen Bildfläche fast zu verschwinden drohen. Die zwölf gerahmten Bilder sind Dokumentation der Steine und der Reise, die sie zurück gelegt haben. Zu sehen sind die Zeichnungen noch bis 4.8.19.

Die Zukunft nicht mit Möbeln von heute vollstellen

„Warum lassen wir so viel mit uns passieren, obwohl wir wissen, dass wir aufstehen sollten?“ Das schicken Markus Metz und Georg Seeßlen ihrer Lesung aus „Freiheitstraum und Kontrollmaschine: Der (vielleicht) kommende Aufstand des nicht zu Ende befreiten Sklaven“ in der FH Urstein am 9.4. voraus. In ihrem neuen Buch geht es um eine Analyse der Gesellschaft in Bezug auf Kontrollmechanismen und wie man diesen womöglich entkommen kann.

Als Mensch der heutigen Gesellschaft hat man sich untergeordnet: Entweder die soziale Kontrolle oder die technische Kontrolle versichern uns, dass alles seine Ordnung hat: Soziale Kontrolle, das kann ein Nachbar sein, der einen unfreundlich daraufhin weist, die Tür nicht so laut zuknallen zu lassen. Es kann aber auch ein Lehrer oder ein Social-Media-Influencer sein, die ihre Zuseher beeinflussen und formen wollen. Die soziale Kontrolle braucht Demütigung und Opfer um zu funktionieren (man wird zurechtgewiesen, ausgelacht, fertiggemacht) – Erfahrungen, wie sie jeder schon gemacht hat. Sie wird meist als unangenehmer empfunden als die technische Kontrolle: Sie ist die Kontrolle von Maschinen durch Menschen und intelligenten Maschinen; sie dient dem Fortschritt, der Sicherheit der Erkenntnis – zumindest wird diese meist so wahrgenommen. Menschen empfinden es als angenehmer, sich Maschinen als Mitmenschen unter zu ordnen. Man liebt die Stechuhr mehr als den Vorarbeiter. Genauso lässt man sich lieber vom Schachcomputer besiegen als von einem menschlichen Gegner. Wenn langsam die soziale Kontrolle durch die technische Kontrolle ersetzt wird, fühlt sich das nach einer regelrechten Befreiung an. Jedoch bemerken wir nicht, dass die soziale Kontrolle bei natürlichen Schamgrenzen haltmacht – die technische Kontrolle ist jedoch lückenlos und total. Sie kennt keine Schamgrenzen und speichert Daten ohne Ende. Was die soziale Kontrolle unscharf macht, sind die im Zweifelsfall zu Gunsten der Beteiligten veränderbaren Rechte. Das macht sie zwar willkürlicher und unfairer, jedoch nicht so drohend ausweglos wie die fortschreitende technische Kontrolle. Wie können wir also diese immer weiterwachsende Gefahr aufhalten? Seeßlen schlägt vor, in einem Akt der Rebellion statt der Kontrolle das eigene Bewusstsein als Maßstab entgegen zu halten: Allein sich unter einen Baum zu setzen und nachzudenken sei schon das poetische Widerstandsbild schlechthin. Man tritt für einen kurzen Moment heraus aus den gesellschaftlichen Zwängen und denkt nach. So könnte eine Gesellschaft in einem anarchischen Zustand ohne Kontrolle von anderen auskommen. Hier endete die Lesung des ersten Kapitels.

Danach lesen die beiden noch eine Passage aus ihrem noch unveröffentlichten utopischen Manifest „Der anarchistische Futurismus oder der futuristische Anarchismus“: Hier geht es vor allem um den Kapitalismus und wie er nicht die Zukunft sein kann. Wie können wir die Zukunft wieder zurückgewinnen? Und von wem müssen wir sie zurückerobern? Seeßlen und Metz setzen den Begriff Geld mit Zukunft gleich, weswegen uns eine Zukunft ohne Geld unmöglich erscheint: „Je mehr Zukunft das Kapital für sich beansprucht, desto weniger bleibt für den Menschen“. Die Zukunft gehört nicht dem Kapital, der Macht, der Belohnung und Bestrafung, der Schuld und Schulden oder der Konkurrenz. Um die Zukunft nicht im Vorhinein zu verderben, wäre es am besten die Zukunft als Begriff und als Wert zu vergessen. So entkäme man der Abhängigkeit von morgen und könnte sich auf die Imagination von heute konzentrieren. Auf die Frage einer Studentin, was man denn nun tun solle, antwortet Seeßlen: „Die Zukunft am besten nicht mit Möbeln von heute vollstellen.“

Markus Metz und Georg Seeßlen nach der Lesung: „Toi, toi, toi“ sagen sie, nachdem ich berichte, ich würde versuchen, die Lesung in meinem Blog zusammenfassen

Die komplizierten Gedanken werden bei Seeßlen und Metz fast poetisch vorgetragen; was im ersten Augenblick pessimistisch klingt, sind notwendige Gedankengänge, die Systeme beschreibbar machen. Erst ein beschreibbares System kann verändert werden. Es herrscht die Notwendigkeit für den „Pessimismus der Analyse als auch für den Optimismus der Tat“. Seeßlen und Metz nehmen in ihren abschließenden Worten vor allem die Künstler in die Pflicht: sie seinen diejenigen, die in Räume vordringen müssen, die noch niemand betreten habe.

Keine Reue auf dem Lustrasen

In seinem Lustgarten schwingt Jedermann das Tanzbein. Ein Totentanz wird uns geboten. Der Rhythmus des Lebens treibt ihn an, weiter und immer weiter; doch, wenn er für einen Moment innehält, bemerkt er: Die Tanzfläche ist gepflastert mit Leichen. Das erfahren wir im Stück jedermann (stirbt), das zurzeit im Schauspielhaus Salzburg unter der Regie von Rudolf Frey aufgeführt wird.

Im Stück von Ferdinand Schmalz dreht sich alles um das Sterben. In der bekannten Fassung von Hofmannsthal steht die Bekehrung und im Zuge dieser, die Reue des Jedermann im Zentrum des Stücks. In dieser Inszenierung des erst kürzlich uraufgeführten Stücks wird Jedermann nicht durch Gottes Gnade erlöst; am Schluss steigt Jedermann in ein kreisrundes Grab und ist tot. Die Leiter, die neben der Versenkung in den Himmel ragt, erklimmt er nicht. Nur seine Mutter weiß ihn selig, die Bekehrung Jedermanns bleibt dem Publikum vorenthalten. Stattdessen verfolgen wir das Zugrundegehen eines kontrollierten, kontrollierenden Ökonomen. Am Schluss liegt er gebrochen auf der Bühne, schluchzend kauert er vor seinem verstreuten Tafelsilber. Dabei zeigt Theo Helm als Jedermann zu Beginn keine Schwäche: Er demonstriert, dass Geld seinen Gott lange ersetzt hat. Bei stürzenden Währungen, Klassenkriegen und gewaltsamen Protesten hält er sich zurück, denn Tote gibt es überall. Wenn Jedermanns Ehefrau bedauert, ihre Ehe sei nicht mehr das, was sie einmal war, wenn die beiden Gesellen versprechen, sich gerne um die Firma des totgeweihten Jedermann zu kümmern, und wenn sogar Gott dem Sterbenden einen metaphorischen Hieb versetzt, dann ist Jedermann ganz unten angekommen.

In diesem Stück ist der Tod ein schönes Mädchen, das sich – anders als auf den Dürer-Gemälden – um den Jedermann schlingt. Sie ist Buhlschaft und Tod zugleich, ihre Andersartigkeit zieht Jedermann an und nur zu spät wird ihm klar, mit wem er da getanzt hat. Der Tod wird von Kristina Kahlert gespielt, die viele langatmige Szenen allein durch ihre Präsenz auf der Bühne aufregender macht. Die Bühne ist ein langer, mit Kunstrasen überzogener Laufsteg, der eben einerseits an den Laufsteg bei Modenschauen erinnert, durch den grünen Rasen aber auch gleichzeitig zum Spielfeld des Lebens wird. Im Gegensatz zu der üblichen Frontalansicht der Bühne, sitzt hier das Publikum rund um die Bühne herum. Dies stellt insofern eine Herausforderung für die Schauspieler dar, weil sie sich ständig von einer Seite zur anderen bewegen müssen, damit sie jede der vier Seiten gleich bespielen. So entsteht ein ständiges Köpfedrehen in den Reihen, da die Augen allein nicht den vielen Bewegungen folgen können. Dieser dynamische Aspekt ist jedoch unverzichtbar, da die Schauspieler so viel Text vortragen, dass man als ungeübter Zuseher ohne die Bewegung schnell ermüden würde. So werden die letzten beiden Szenen, die bereits nach Jedermanns Tod und der erschütternden, letzten Rede des Todes spielen, lang; Es hätte vermutlich ausgereicht, sich für eine der beiden Szenen als Schluss zu entscheiden.

Mammons Kostüm erinnert mit seinen bodenlangen goldenen Fransen an das Kostüm von Christoph Franken, dem Mammon aus der Inszenierung bei den Festspielen 2018. Auch das Glockenläuten, das uns aus den Festspielaufführungen so bekannt ist, ist in dieser Inszenierung aufgegriffen worden. Die Jedermann-Schreier werden ersetzt durch das Ticken einer Bombe. Im Stück von Schmalz wird die Figur des Glaubens verschmolzen mit der von Gott. Mammon sowie die Guten Werke (Marcus Marotte) werden humoristischer als im Jedermann von Hofmannsthal dargestellt. Auch der Teufel erscheint nicht leibhaftig auf der Bühne, stattdessen spricht er durch einen Sprechchor der Figuren.

jedermann (stirbt) ist ein aktualisierter Jedermann, der zwar dieselbe Geschichte erzählt, doch die Schwerpunkte anders als sein Vorbild setzt. Gerade weil es nicht in der alten Sprache der Jahrhundertwende donnert und weil die erwartete Moralkeule ausbleibt, ist die Aktualisierung gelungen. Für mich war es eine gelungene Inszenierung und ein unterhaltsamer Abend.

Fotos: Jan Friese

Im Unterbewussten ist es dunkel

Die Galerie Eboran zeigt Arbeiten von Bernhard Skok. „dal niente – aus dem Nichts“ lautet der Titel der vierten Einzelausstellung des Salzburger Künstlers Bernhard Skok. Schwarze, große Leinwände hängen an den Wänden. Die abstrakten, schwarzen Gemälde wirken jedoch nicht trist. Neonfarben, Schrift, expressiver Gestus erwecken die Bilder von Skok zum Leben. In seiner Arbeit geht es um das Unterbewusstsein: Botschaften, die wir nicht entziffern können, tauchen aus dem schwarzen Abgrund auf. Leuchtende Farbflecken und Zeichnungen heben sich von dem schwarzen Untergrund ab.

Beim Betrachten der Gemälde wandert der Blick rastlos zwischen den einzelnen Bildelementen hin und her auf der Suche nach einer entschlüssbaren Botschaft. Das Schwarz wirkt bedrohlich, als könne es nach einem greifen, einen hineinziehen an einen verborgenen Ort ohne Licht. Durch die Präsentation ohne Keilrahmen und den wilden Pinselstrich kann der temporale Aspekt von Gemaltem erfahren werden. Die Gemälde werden in der eigenen Vorstellung räumlich und zeitlich verortet: Vor dem eigenen inneren Auge sieht man den Künstler, wo er den Pinsel ansetzt, sieht, wie die nasse Farbe auf dem Bild verläuft. Jedoch wird auch die Hilflosigkeit für den Betrachter spürbar: Das Nicht-Fassen-Können einer klaren Emotion oder eines klaren Gedankens ist ein unangenehmes Gefühl, dem man sich als Betrachter aussetzt. Wie sich das für einen selbst anfühlt, kann man noch bis 26.4. in der Galerie Eboran herausfinden.

U-Boot in der See der Literatur

Rückblick auf die Rauriser Literaturtage 2019. Die Rauriser Literaturtage gehen auch dieses Jahr zu Ende. Die Autoren reisen ab, die Studierenden fahren zu ihren Unis zurück, nur wir Salzburger bleiben, wo wir sind. Eine kurze Zusammenfassung meiner stärksten Eindrücke und Erfahrungen.

Am Mittwochabend beginnen die Literaturtage mit aberwitzigen Reden von Politkern, die für einen kurzen Moment daran zweifeln lassen, dass man sich tatsächlich in einer anspruchsvollen, literarischen Veranstaltung befindet. So gratuliert Landeshauptmann Haslauer dem Parteikollegen zu einem volksdemokratischen Wahlergebnis und spaßt, dass der Nordkoreanische Präsident bald anrufen und um Rat bitten würde. Die einführenden Worte der Intendanten Ines Schütz und Manfred Mittermayer sowie eine Lesung von Philipp Weiss, dem Hauptpreisträger (Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen) eröffnen dann aber das Literaturfestival, für das wir angereist sind. Die Eröffnungsworte des Intendantenteams sind überraschend politisch. So lautet eine Passage von Mittermayer: “Wir leben in einer Welt, in der viel in Bewegung geraten ist, in der sich ganz große Chancen auf Verbindungen mit anderen Ländern eröffnet haben. Es ist eine Herausforderung, aber wir müssen solidarisch bleiben.“ Eine Solidaritätserklärung, die die nächsten Tage in den Texten widerhallen wird. „Auf.Brüche“ lautet das Thema des diesjährigen Festivals. In den kommenden Tagen sehen wir uns berührenden Lesungen gegenüber, die sich im thematischen Feld zwischen Migration und Weltreisen, aber auch zwischen Altenheim und Debilenheim befinden.

Philipp Weiss wagt mit seinem Roman, der sich über fünf Bände und tausend Seiten erstreckt, den Versuch eines Gesamtkunstwerks. Der Roman erscheint bei Suhrkamp im Schuber, die einzelnen Romanbände kommen alle in unterschiedlichem Layout daher und auch jeweils mit einem fiktiven Autor, nämlich dem Protagonisten des Bandes. Alle fünf Protagonisten sind verbunden über verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen. Jedoch wird bei der Lesung kaum klar, welcher der Protagonisten gerade spricht, was eventuell dadurch zu erklären ist, dass alle fünf Hauptfiguren einen düsteren Sprechgestus haben. Sie sind alle gefangen in einer Situation, die sie nicht bewältigen können. Allein Akio, ein japanisches Kind, das beim Tsunami von Fukushima davongespült wird, bleibt auf seiner abenteuerlichen Reise positiv. Die Reise ist ein zentrales Thema, jedoch scheint es, als würden die Figuren zwar den Ort wechseln, aber nicht aus ihrem geistigen Gefängnis ausbrechen können. Sie verzweifeln an der Welt und an sich selbst und bleiben unglücklich. Beim Gespräch mit den Salzburger Studenten am nächsten Tag bestätigt Weiss, dass er den Zugang zur Literatur ähnlich wie in der Romantik ganzheitlich sieht. Die Kunst umfasse alles und er versuche ein Bild der Ganzheitlichkeit, der Verbundenheit zu zeichnen. Er rettet sich jedoch durch Fakten, einen Rettungsring, den er nicht nötig hätte, denn die spannendsten Antworten gibt er unvorbereitet.

Tags darauf liest Katharina Braschel ihren Text Das gute Bild, mit dem sie den Förderungspreis von Rauris gewonnen hat. Zwei Paare wohnen gegenüber, kennen sich jedoch kaum; Empathie, erste Eindrücke und der trügerische Schein sind die treibenden Elemente des Textes. Braschel schaut mit zynischem Blick auf gut situierte, respektable Mitbürger, die keinen Blick für miserable Lebensumstände anderer übrighaben.

Eines der spannendsten Rauris–Segmente sind die Gespräche zwischen Autoren und Studierenden. Die Fragen von Studierenden zeigen überraschende Zugänge zu den Texten und liefern selbst den Autoren manchmal neue Informationen: Es fragt sich allerdings auch, ob Susanne Fritz wirklich erfahren musste, dass in ihrem Buch Wie kommt der Krieg ins Kind 380 Fragen gestellt werden.

Miteinander reden, Gespräche, Diskussionen – das sind die spannenden Formate bei den Rauriser Literaturtagen, weil sie nicht wie eine „normale“ Lesung ablaufen. Nach den Gesprächen ist man beinahe gespannter auf ein Buch als nach einer Lesung. Allen, die an Vormittagen Zeit haben, kann ich nur ans Herz legen, eines der Gespräche mitzuverfolgen. Der Blick von außerhalb, der manchmal kritischer sein kann als jener der Intendanten, fordert die Autoren und entlockt ihnen authentische Antworten. Eine ebenso erfrischende Abwechslung ist dieses Mal der Lyrikvormittag, ein Lichtblick zwischen den Standard-Prosa-Lesungsformaten. Simone Lappert, eine junge Schweizerin, überzeugt durch ihren lebendigen Zugang zu Sprache – ihr Buch erscheint im Herbst. Da fragt man sich natürlich schon, wie schlecht so ein Verlag organisiert ist, wenn er zu einer so wichtigen Sache wie Rauris kein Buch zur Hand hat.

Bücher habe ich zwei aus Rauris mitgebracht: Einerseits steht das Siegerbuch Am Weltenrand sitzen die Menschen und Lachen von Weiss in meinem Regal, weil ich diesen Versuch eines Gesamtkunstwerks interessant umgesetzt sehe. Dass die Ausführung eines Gedankens sich zu einem Projekt über sechs Jahre zieht, und dann auch liebevoll gestaltet wird, finde ich bewundernswert. Das zweite Buch, das ich mitgenommen habe, ist Über dem Himmel unter der Erde, ein ins Deutsche übersetzter Lyrikband von dem slowenischen Autor Aleš Šteger. Der Roman Königin der Berge von Daniel Wisser, der den Österreichischen Buchpreis 2018 gewonnen hat, hat es in Rauris nicht in den Einkaufskorb geschafft, was ich – wieder in Salzburg angekommen – bereue. Den muss ich mir vielleicht noch in der Buchhandlung holen – leider halt nicht signiert.

Generell laufen die Rauriser Literaturtage 2019 ohne Schwierigkeiten und Skandale ab. Die braucht es aber auch nicht. Wer eine knappe Woche in Rauris verbringt, wird mit neuen Denkweisen konfrontiert und gedanklich in verschiedene Länder und Situationen entführt. Es ist als Besucher, der alle fünf Tage dort ist, zwar wahnsinnig anstrengend, sich immer neu auf einen Text und Autor einzustellen, aber am Schluss bleibt doch viel Gutes. Auch wenn einem unmöglich jeder Text und Zugang gefallen kann, kann man die aufgeladene Atmosphäre bei den Lesungen spüren. Es macht Freude, mit den Autoren nach ihren Lesungen zu sprechen und gemeinsam Campari Orange zu trinken. Alle Menschen, mit denen ich dort gesprochen habe, waren sehr aufgeschlossen und wirkten erfreut, wenn man die eigene Scheu überwinden konnte, um mit ihnen zu sprechen. Als Besucher kann man sich in Rauris wie ein U-Boot fühlen, das in der bodenlosen See der Literatur untertaucht und auf der Reise mehr als nur eine Entdeckung macht.